Der „Arbeitgeber-Anteil“ bei Burnout
Brennendes Interesse am Burnout
Burnout ist zur Volkskrankheit geworden. Ausgebrannt und ausgepowert bis zur Arbeitsunfähigkeit. Burnout kann jeden treffen, den Manager wie den Angestellten, den Arbeiter wie den Spitzensportler. Er gehört zu den Hauptursachen für Krankschreibungen und Frühverrentungen in Deutschland.
Fast jeder Berufstätige kennt zumindest vorübergehend das Gefühl am äußersten Limit seiner Kräfte zu arbeiten, erschöpft zu sein und weiterzumachen.
Tatsache ist, dass in den letzten 15 Jahren Krankschreibungen wegen Burnout um mehr als 80% angestiegen sind.
Die hohen Ausfallzahlen alarmieren und verursachen nicht zuletzt hohe Kosten.
Klare Vorschriften für Arbeitgeber
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt dem Arbeitgeber vor, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Seit 2014 gilt das auch für psychische Belastungen am Arbeitsplatz.
Das gilt für jeden Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter.
Arbeitgeber, die dieser Pflicht nicht nachkommen sind in der Haftung, wenn Mitarbeiter an Burnout erkranken. Die Krankenkassen und Rentenversicherungsträger können die Kosten beim Arbeitgeber einfordern.
Das bedeutet, dass auf Arbeitgeber ein nicht kalkulierbares Risiko an möglichen Kosten zukommen kann.
Präventionsmaßnahmen seitens der Arbeitgeber
Arbeitgeber investieren inzwischen zunehmend in präventive Maßnahmen, das Auftreten von Burnout-Fällen zu reduzieren oder zu verhindern. Dabei gibt es unterschiedliche Angebote von Stressmanagement-Kursen über sportliche Aktivitäten, Entspannungskursen, Achtsamkeitsseminaren und Coaching.
Dies ist grundsätzlich gut und richtig. Jeder einzelne kann davon profitieren, die eigene Stressstabilität erhöhen und wichtige Bewältigungsstrategien erlernen. Jedoch eines fällt auf: Die meisten dieser Maßnahmen zielen bisher nur darauf ab, den einzelnen Menschen zu stärken und in seiner persönlichen Lebensführung zu beeinflussen. Die Arbeitsbedingungen jedoch bleiben dabei meist unberücksichtigt als Konstante stehen.
Wenn Arbeit krank macht
Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte der Arbeit, dass Arbeitsbedingungen für den Beschäftigten krankheitsauslösend wirken können. Einst standen vor allem Schadstoffe und unfallträchtige Arbeitsplätze im Vordergrund, später wurde durch die primär sitzende Haltung Rückenleiden zur Volkskrankheit Nummer 1.
Die Reaktion waren Vorschriften und Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und das Arbeitsschutzgesetz.
Und nun sind es psychische Erkrankungen und insbesondere für Burnout, die die Liste der Krankheiten in der Arbeitswelt anführt.
Ein wissenschaftlich allgemein anerkanntes Messinstrument um das Burnout-Syndrom zu erfassen das Maslach Burnout Inventory (MBI), das von der amerikanischen Psychologin und Professorin der Berkeley University Christina Maslach entwickelt wurde. Von ihr stammt auch dieeindeutige Definition für Burnout.
Burnout ist eine Erkrankung, die ausdrücklich auf den Kontext der beruflichen Arbeit bezogen ist.
Mit der Veränderung der Arbeitswelt durch neue technische Möglichkeiten wurde plötzlich eine permanente Erreichbarkeit möglich. In der Folge wurde diese dann auch vom einzelnen Arbeitnehmer eingefordert.
Aber es hat sich mehr verändert in der Arbeitswelt: Die Anforderungen sind erheblich gestiegen, während gleichzeitig das Risiko gestiegen ist, den Arbeitsplatz zu verlieren. Immer mehr Arbeit wird auf immer weniger Schultern verteilt. Steigender Druck, steigende Geschwindigkeit und wachsender Konkurrenzkampf sind die Bedingungen, die dazu führen, dass Arbeit Menschen krank macht.
Die Hauptursache von Burnout sind die modernen Arbeitsbedingungen, die nicht mit grundlegenden Bedürfnissen der Menschen zusammenpassen.
Diese Veränderungen globalisierter Märkte sind nicht ohne weiteres umkehrbar, darum geht es auch nicht, sondern um die geeigneten Reaktionen und entsprechenden Maßnahmen im Sinne der Arbeitssicherheit darauf.
Ist Burnout genetisch bedingt?
Warum erkranken trotz vergleichbarerer Arbeitsbedingungen einige Menschen an Burnout, andere jedoch nicht?
In der momentanen Diskussion geht es um die Fragestellung, ob Burnout erblich, also genetisch bedingt ist. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine erbliche Komponente eine Rolle spielen könnte.
Der Artikel im Spektrum der Wissenschaft geht aber vor allem auf epigenetische Faktoren ein und zeigt auf, dass Depressionen und Burnout wohl genetisch gesehen als getrennte Phänomene zu betrachten sind.
Mal abgesehen davon, dass die meisten Krankheiten sowohl eine genetische als auch eine umweltbedingte Komponente haben, die einerseits in Umwelteinflüssen und andererseits in der persönlicher Lebensführung liegt, bleibt für mich die Frage offen, was in den letzten 15 Jahren in den Genen der Deutschen vor sich gegangen ist, dass der Burnout um mehr als 80 % ansteigen konnte. Die so rasche Durchseuchung der arbeitenden Bevölkerung würde nach meinen Vorstellungen eher auf ein Virus hinweisen.
Wichtige Forschungsaufgaben zu Burnout
Intensive Forschung zum Thema Burnout kann man nur begrüßen, denn die verursachten Kosten sind hoch und das Leid der Betroffenen groß.
Das Interesse der Forschung, was genau hinter dem Burnout steckt, welche ursächliche Faktoren und Reaktionsmuster bei Burnout im menschlichen Organismus ablaufen, ist daher sicher eine wirklich wichtige Aufgabe. Dies könnte zu neuen Therapiemöglichkeiten führen.
Aber das ist mir wichtig zu sagen: Wenn Arbeitsbedingungen krank machen, macht es doch Sinn, die Arbeitsbedingungen zu verändern. Statt die Mitarbeiter auszutauschen.
Was in der Diskussion und dem Umgang mit Burnout seit langem passiert, ist das Verschieben der Ursachen.
Denn wäre der Mensch auf Grund schlechter Lebensführung oder falscher Gene die Ursache des Problems, so wäre der Arbeitgeber und die von ihm zugelassenen Arbeitsbedingungen plötzlich nicht mehr in der Verantwortung. Sondern allein der Einzelne. Veränderungen der Arbeitsbedingungen wären nicht erforderlich. Die Anforderungen und Bedingungen könnten weiter in die Höhe schnellen.
Menschen, die dem nicht standhalten, wären nicht geeignet. Ganz nach dem Motto „Nur die Harten kommen in den Garten“.
Wer aber dauernd Überstunden machen muss, immer erreichbar sein soll, vieles gleichzeitig und immer mehr immer schneller erledigen soll, wer mit seiner Arbeitskraft ausgleichen soll, dass ein Team von sieben auf fünf Mitarbeiter geschrumpft wird, die Aufgaben aber gleichbleibend sind, der leidet primär an den Bedingungen der modernen Arbeitswelt.
Diese wären dann im Fokus der Verantwortung und Veränderung.
Der Grundgedanke ist eine gute Passung zwischen der Arbeit und dem Menschen, der sie ausführt.
Hierfür gibt es bereits viele bewährte und wirksame Maßnahmen der Organisations- und Personalentwicklung, die an den Arbeitsbedingungen, an den Teams, in der Führung und an der Unternehmenskultur ansetzen.
Inzwischen haben einige Unternehmen damit begonnen, zusätzlich zu den Maßnahmen, einzelne Personen zu stärken, auch strukturelle Maßnahmen zu ergreifen. So zum Beispiel das automatische Herunterfahren der E-Mail-Server kurz nach Ende der Gleitzeit, so dass auf Firmen-Handys Nachrichten erst am nächsten Arbeitstag wieder empfangen und versendet werden können.
Es bleibt zu wünschen, dass in diesem Sinne Verbesserung der krankmachenden Arbeitsbedingungen sich durchsetzen.
Jeder Arbeitnehmer hat also neben dem ethischen Anspruch auch ein Anrecht darauf, Arbeitsbedingungen vorzufinden, die weder den Körper noch die Psyche unangemessen belasten oder gar krank machen.
In der konkreten Situation eines Burnouts hilft es aber nicht, sich auf ein Anrecht zu berufen. Professionelle Hilfe ist wichtig.