Hic Rhodus, hic salta! – Zeige, was Du kannst!

Alter Wein in neuen Schläuchen? – Über Gute und Bessere.

Im Moment geistert der Beitrag von Tim Urban „Warum die Generation Y so unglücklich ist“ durchs Netz. http://www.welt.de/icon/article133276638/Warum-die-Generation-Y-so-ungluecklich-ist.html

Dieser Artikel ist so eingängig aufbereitet, dass man sofort ein Bild vor Augen hat: den jungen verwöhnten Schnösel-Sohn von nebenan, das arrogante überhebliche Töchterlein von gegenüber.

Urban beschreibt mit Lucies Geschichte eine Vertreterin der Generation Y: Die GYPSYs pflegen einen ausschweifenden Lifestyle, „halten sich für etwas Besonderes“, sind „unfassbar anspruchsvoll“, besitzen eine „entsetzliche Erwartungshaltung“, sie sind schlicht „Traumtänzer“, die all dies für sich in Anspruch nehmen, ohne bisher eigene Leistung erbracht zu haben, die diese Art rechtfertigen könnte. Ihr falsches und überhöhtes Selbstbild (das ihnen durch elterliche Fürsorge eingeimpft wurde), ist die Ursache für ihr Unglücklichsein, was sie spätestens dann feststellen werden, wenn sie mit der harten Realität der Arbeitswelt konfrontiert werden.

Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Dieses Zitat stammt nicht von Urban, sondern von Sokrates (469-399 vor Chr.) und ist somit fast 2.500 Jahre alt.

Wird hier also einfach eingestimmt in die jahrtausendealte Klage über die miserable Jugend?

Jede Generation hat ihre eigenen Aufgaben, Herausforderungen und Schwierigkeiten, sie erwächst immer auf dem Boden der vorangegangen Generationen und muss sich an diesen reiben. Die Generation Y ist nicht schlechter, sondern einfach anders und braucht keine besserwisserischen Mahner, sondern Verständnis, ehrliche Auseinandersetzung und zuweilen etwas Unterstützung.

Lucies Vertreibung aus ihrem Paradies geschieht bei Urban mit dem Hinweis, „Große Karrieren kosten viele Nerven, Schweiß und Tränen“[1].

In der Psychologie bezeichnet man dies als Glaubenssatz, das bedeutet, wenn man diese Annahme für wahr hält, also daran glaubt, so wird man sein Denken und Handeln danach ausrichten, unabhängig davon, ob das richtig, klug oder falsch ist. Wer dementsprechend seine Karriere auf Nerven, Schweiß und Tränen aufbaut, muss der sich dann wundern, wenn er mit Burnout, Erschöpfung und Herzproblemen zu kämpfen hat?

Tatsache ist, dass eine Karriere eher eine langfristige Angelegenheit ist, die Energie, Durchhaltevermögen, den Aufbau von Expertise durch lebenslanges Lernen und Weiterentwicklung, sowie das Erwerben von Copingstrategien[2] erfordert. Das, was den Guten von dem Besseren unterscheidet, die große Karriere von der Karriere trennt, ist nicht ein angeborenes Talent, sondern die Anzahl der Übungsstunden. Die beständige und intensive Beschäftigung mit  Die Faustregel heißt 10.000 Stunden in 10 Jahren führen zu Spitzenleistungen.[3]

 

Warum die Generation Y wirklich Anlass hat, unglücklich zu sein

Nicht nur die Lebensumstände, die politischen Aufgaben und die Technologien haben sich seit den 50-er Jahren, also der Elterngeneration, grundlegend geändert, sondern auch die Denkweisen und Einstellungen der Menschen, was ihnen wichtig ist, wofür sie sich einsetzen, was sie erstrebenswert finden. Und in diesen Werten unterscheidet sich die Generation Y deutlich von denen ihrer Eltern und Großeltern, denn im Vordergrund stehen die persönliche Entwicklung und der eigene Lebensgenuss. Die Gestaltung der Freizeit und die eigene Gesundheit werden höher bewertet, während Pflicht- und Unterordnungswerte abgenommen haben. einen Überblick zeigt nachstehende Tabelle.

 

Tabelle: Übersicht über die gewandelten Werte

Traditionelle Werte

Werte der Generation Y

Fleiß und Disziplin Selbstbestimmung und Erfahrung
Pflicht und Gehorsam Engagement und Partizipation
Hierarchie und Unterordnung Teamgedanke, Emanzipation,
Karriere, Einkommen Persönlichkeitsentwicklung, Spaß an der Arbeit
Sicherheit Freiheit, persönliche Weiterentwicklung
Effizienz Kreativität
Einfügen in die bestehende Ordnung, Anpassung Lebensgenuss, Work-Life-Balance, Bewahrung der eigenen Gesundheit

 

Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf Berufswahl und Karrieregestaltung: Arbeit soll vor allem sinnvoll sein und zufrieden machen, die Tätigkeit selbst soll interessant sein und die Möglichkeit bieten, die eigenen Kompetenzen einzusetzen und weiterzuentwickeln. Das private Leben soll relativ gleichgewichtig neben der Arbeit stehen. Auch ist im Zuge der Emanzipierung das alte Rollenbild verändert, die  Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist von hoher Bedeutung für beide Geschlechter. Frauen wünschen sich Familie und beruflichen Erfolg. Männer möchten nicht mehr auf den Ernährer einer Familie reduziert sein, sondern eine aktive Vaterrolle einnehmen.

Die Generation Y verweigert sich nicht der Arbeit oder der Leistung, die meisten sind hochqualifiziert, motiviert und vielseitig interessiert, aber ihre Ansprüche an sich selbst und die Beruflichkeit haben sich erhöht und verändert. Mit diesen Werten und Vorstellungen treffen sie nun auf eine Arbeitswelt und Unternehmen, deren Strukturen und Werte trotz Fachkräftemangel weitgehend noch die Züge der Väter und Großväter tragen. Das ist wirklich traurig.

Dem Glück auf der Spur – ein sinnvoller Karriereaufbau für die Generation Y

Da steht man nun, hat das Studium gut gemeistert und träumt von der eigenen Karriere.

Was ich in meinen Seminaren und Coachings immer wieder erlebe ist, dass Berufseinsteiger/innen zwar ein genaues Bild davon haben, wie hoch ihr Einkommen mal sein soll, wie viele Mitarbeiter/innen sie sich wünschen, welches Auto sie gerne fahren würden, zuweilen sogar wie das Büro aussehen soll. Entsprechend höre ich oft die Frage: Bei welchem Unternehmen, auf welche Stelle soll ich mich jetzt bewerben, damit ich das erreiche?

Reichtum, Einfluss, Anerkennung, Statusprivilegien, Ansehen, dies alles sind keine Karriereziele, die man auf direktem Wege erreichen kann, sondern lediglich die Konsequenzen einer gelungenen Karriere.

Die bessere Frage wäre: Was kann ich geben? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen bringe ich mit und was will ich lernen und weiterentwickeln?

Denn es ist sinnvoll, seine Karriere auf dem aufzubauen, was einen selber begeistert, fasziniert, was Spaß macht und motiviert, worauf man Lust hat weiter zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Daraus ergibt sich nämlich der eigene innere Antrieb, der uns weitertreibt und beflügelt, der es uns ermöglicht, Schwierigkeiten, Durststrecken und Rückschläge gut durchzustehen. Und der uns den „Flow“[4] ermöglicht, das Glücksgefühl bei der eigenen Tätigkeit.

Entsprechend sind die wichtigen Fragen diejenigen nach den eigenen Interessen, Begabungen, Fähigkeiten und Kompetenzen, nach den persönlichen Werten und dem Sinn des Lebens. Und dies gilt es durch eigene Erfahrung herauszufinden. Alles Nachdenken, Ziele setzen, Testverfahren und gut gemeinte Ratschläge können die eigene Erfahrung, das Ausprobieren, Korrigieren und Neuorientieren nicht ersetzen.

Die wichtigste Aufgabe am Anfang einer Karriere ist es herauszufinden, welche Art von Arbeit und welches Tätigkeitsfeld für einen selber richtig und geeignet sind.

Das bedeutet im Klartext: Es geht darum, anzufangen, einen Job anzunehmen, und alle  Gelegenheiten zu nutzen, sich selber auszuprobieren, die Glücksmomente zu identifizieren und dann weiterzuverfolgen.

 

GOOD LUCK!!

 

[1] Im Original heißt es „Blut, Schweiß und Tränen“, eine Rede von Winston Churchill, 1940 vor dem britischen Unterhaus, mit der die Bevölkerung auf die bevorstehenden Kriegsgeschehnisse vorbereitet werden sollte.

[2] Copingstrategien sind Bewältigungsstrategien in schwierigen Situationen,einer Lebenskrise oder Stress.

[3] Untersuchung von Anders Ericsson, schwedischer Psychologe und Talentforscher, Florida State University

[4] Mihály Csikszentmihályi, Psychologe und Glücksforscher prägte den Begriff des „Flow“, es bezeichnet das Glücksgefühl der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Tätigkeit.